Geglückte Rehabilitation- vom Schädelhirntrauma zum Vorzugszeugnis

Der sechsjährige Fabian erleidet durch einen Autounfall ein Schädel-Hirn-Trauma mit diffusem axonalen Schaden, protrahiertes Mittelhirnsyndrom Grad III, Balken- und Thalamusläsion, subdurale Hämatome frontal rechts und parietal links, armbetonte Ataxie rechts, organisches Psychosyndrom sowie eine Hemiparese links.

Nach zwei Wochen künstlichem Tiefschlaf mit Hirndrucksonde, Beatmung und Nasensonde zur Ernährung erlernt er in viereinhalb Monaten stationärer neuropädiatrischer Rehabilitation wieder schlucken, sich bewegen, langsam frei gehen und sehr eingeschränkt sprechen. Die multiplen Gehirnschädigungen, insbesondere des Balkens und Thalamus haben „deutliche Defizite“ hinterlassen. Eine Balkenläsion habe typischerweise eine gestörte Handlungsplanung zur Folge und bewirkt, dass Fabian leicht ablenkbar ist, wenig Strategien zur Problemlösung hat, innerhalb der Handlungen stockt, sowie keinen Überblick hat, was bei ihm deutlich zum Tragen kommt. Dies könne erhebliche Auswirkungen auf die Selbständigkeit im Alltag haben. Es sei noch nicht abschätzbar, ob der Besuch einer Regelschule verspätet oder gar nicht erfolgen könne und eine alternative Beschulung erforderlich werde.“

Befund nach Abschluss der Reha:

  • Beeinträchtigung der Aufmerksamkeitsfunktion, der Lern- und Gedächnisleistungen und räumlich-konstruktiven Funktionen
  • Deutliche Verlangsamung des Tempos der Informationsverarbeitung, starke Ablenkbarkeit
  • Intellektuelles Leistungsvermögen unterdurchschnittlich, insbesondere im schlussfolgernden und logisch-sequentiellen Denken, es entspreche nicht dem prämorbiden Leistungsvermögen.
  • Beeinträchtigte Konzentrationsfähigkeit und Handlungsplanung
  • Sprachverständnis rezeptiv unauffällig, jedoch „vergehe viel Zeit bis er antworte oder handle“, massiv verlangsamte Verarbeitung und sprachlicher Output
  • Expressiv: Wortfindungsstörung und Neologismen oder Wörter aus dem engen semantischen Feld
  • Orofacial: deutliche Dysarthrie und Hypotonie, Kompensation durch Mitbewe-gungen von Unterkiefer, Unterlippe und Kopf. Orale Ernährung ist wieder möglich.
  • Sprechen und Denken strengen Fabian sehr an

Zu Beginn der ambulanten Logopädie arbeiten wir zwei Vormittage die Woche mit der Neurofunktionellen Re-Organisation (NR) nach A.E.Padovan mit sehr langsamen Bewegungen, Fabians damaligen Verarbeitungstempo angepasst. Seine Mutter trainiert mit ihm während der restlichen Woche täglich eine Stunde mit der NR. Nach sechs Wochen täglicher Körperübungen reduzieren sich die Streckspasmen der Beine und verbessert sich die Kopfkontrolle. Beim „Mundprogramm“ für Atmen, Saugen, Kauen und Schlucken werden Fabians Hände geführt. Kauen und Zuhören gleichzeitig gelingt noch nicht, Mitsprechen bei wiederholten, bekannten Reimen gelingt ab und zu für je eine einzelne Silbe pro Atemzug. Nach sechs Monaten spricht er zwei bis vier Wörter, ja nach Wortlänge. Nach acht Monaten NR ist Nachkontrolle in der Kinderreha: im MR sind die Balkenläsion und zwei Einblutungen beidseits frontal noch sichtbar. Die Physiotherapie konstatiert „erstaunliche Fortschritte“, es sei „keine Therapie mehr nötig, da sich der Bub selbst therapiert“. Weiterhin besteht eine „Beeinträchtigung von Lern- und Gedächtnisleistungen sowie exekutiver Funktionen nach SHT (F07). Reaktionszeiten und verbale Lernleistungen seien im Vergleich zur Voruntersuchung deutlich verbessert, aber noch verlangsamt; ebenso sei die Informationsverarbeitung verlangsamt und bestehen Schwierigkeiten in komplexen Situationen mehrere Reize zu beachten. (..) Weiters bestehe eine umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen (F83), (F89).

Nach einem Jahr NR spricht und reagiert Fabian noch verlangsamt, bewegt sich „unrund“, aber selbständig und kommt in die Volksschule. Statt der anfänglichen vier Stunden für die Padovanübungen schafft Fabian diese inzwischen in „nur“ siebzig Minuten! Nach fünfzehn Monaten NR führt er alle Körperübungen langsam und selbständig aus, oft rhythmussynchron mit einem Gedicht. Nach zwei Jahren sind Gehen, Sprechen und Denken viel müheloser, aber noch nicht so, wie vor dem Unfall. Fabian führt die Padovanübungen in fünfzehn Minuten durch. Nach drei Jahren sind Tempo und Qualität von Körperbewegungen und Artikulation annähernd altersadäquat. Nach vier Jahren Therapie mit der NR beenden wir unsere logopädischen Zusammenarbeit erfolgreich. Fabians Mutter meint:“Jetzt bin ich dem Unfalllenker nicht mehr böse, weil ich an Fabian nichts mehr merke“. Zwei Jahre später hat Fabian im Gymnasium ein Vorzugszeugnis!

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